SPD-Generalsekretär Hubertus Heil hat dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch vorgeworfen, angesichts des drohenden Machtverlusts bei der Landtagswahl mit dem Ruf nach schärferen Gesetzen vom eigenen Versagen ablenken zu wollen - auch beim Thema Jugendkriminalität.
"In neun Jahren Regierungszeit in Hessen hat Koch bei Polizei, Justiz, Bildung und Jugendhilfe massiv gekürzt", sagte Heil der Frankfurter Rundschau (Freitagsausgabe). Ergebnis dieser Politik sei in Hessen nahezu die Verdopplung gefährlicher Körperverletzungen in der Öffentlichkeit. Auch die Rückfallquote ist hoch: "80 Prozent der jugendlichen Straftäter in Hessen werden wieder straffällig", stellte Heil fest. Der hessische Ministerpräsident, bilanziert der SPD-Generalsekretär, sei ein "Sicherheitsversager". Nun versuche er "im Angesicht des drohenden Machtverlustes mit dem Ruf nach schärferen Gesetzen von seinem Versagen abzulenken".
Wenig glaubwürdig sei auch Kochs Forderung nach mehr Moral. Denn, dass dieser ein gebrochenes Verhältnis zur Wahrheit habe, sei ja bekannt, erinnerte der SPD-Generalsekretär mit Blick auf wahrheitswidrige Aussagen des CDU-Ministerpräsidenten während der hessischen CDU-Spendenaffäre. "Roland Koch ist kein schwarzer Sheriff, sondern ein prinzipienloser politischer Wiederholungstäter", fasste Heil zusammen.
Ypsilanti: Perspektivlosigkeit bekämpfen
Die hessische SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti warf Koch Populismus vor. Sie warb dafür, das Problem der Jugendkriminalität differenziert zu betrachten. "Der Zungenschlag, den Herr Koch in die Diskussion gebracht hat, ist schräg." Einfache Lösungsmöglichkeiten gebe es nicht. "Jugendliche Straftäter haben meistens eine abgebrochene Schullaufbahn, keine Ausbildung und keinen Arbeitsplatz." Hier müsse angesetzt werden.
Experten: Kochs Parolen "überflüssig" und "reiner Populismus"
Als "überflüssig" bezeichnete der Deutsche Richterbund die Debatte um ein härteres Jugendstrafrecht. Der Vorsitzende Christoph Frank sagte: "Die Formel härtere Strafen gleich höhere Abschreckung gleich weniger Straftaten ist schlicht falsch." Auch der Deutsche Anwaltsverein (DAV) sprach mit Blick auf Kochs Parolen von "reinem Populismus".
Auch Schäuble gegen Koch-Vorschläge
Sogar Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hält den Aktionismus seines Parteifreundes für überflüssig: Wichtig seien schnelle, direkte Konsequenzen für Straftaten und "nicht die Frage von Verschärfungen" im Strafrecht, sagte der Minister am Donnerstag. Zudem sieht Schäuble Gewalt durch Jugendliche nicht als spezielles Problem von ausländischen Tätern. Der Anstieg der Gewalttaten sei unter deutschen und ausländischen Jugendlichen "parallel". Dieser Entwicklung sei durch Erziehung zu begegnen. Wenn Familien dazu nicht in der Lage seien, müsse Unterstützung vor allem durch das Jugendhilferecht erfolgen, so Schäuble.